- Augustonkel - In manchen Beiträgen dieser „Lebensfragmente“ taucht immer mal wieder der Name „Augustonkel“ auf. Wer war er? Er war der Bruder der verstorbenen Ehefrau Sophie meines Stiefvaters Karl Himmel, wohnte in der Bachstraße und bewirtschaftete eine kleinere Landwirtschaft; ich denke, sie umfasste etwa drei Hektar. Im Stall standen meist fünf Kühe, die mit ihrer Milch ihn und seine Tochter Wilma versorgten und daneben als Zugtiere dienten. Da wir öfter gezwungen waren, dieses Gespann für unsere Arbeiten auf den Feldern und im Weinberg auszuleihen, erwartete er selbstverständlich, dass wir als Gegenleistung ihn bei den im Jahresverlauf anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten unterstützten; das „Wir“ bezieht sich hier vor allem auf meine Mutter und mich, im Besonderen auf Erstgenannte. Bei welchen Arbeiten mussten/konnten wir helfen? Wir unterstützten ihn vor allem bei der Kartoffel-, Rüben- und Weizenernte. Die Kartoffeln wurden von ihm und sporadisch auch von meinem Vater mit dem Karst aus dem Boden gebuddelt, und unsere Arbeit bestand dann darin, die Kartoffeln zu sortieren und in Säcke einzufüllen. Die Rüben wurden einzeln mit einem Stecher aus dem Boden gestochen; wir mussten dann mit einem Messer das Kaut abschneiden, sie von der Erde befreien und dann zu Haufen aufschichten. Genau wie die Kartoffel wurden sie dann am Abend - die Arbeiten dauerten oft viele Tage - auf das Fuhrwerk geladen, und die Kühe zogen dann die Fracht nach Hause, wo sie im Keller oder in der Scheune noch verstaut werden mussten. Während die Arbeiten auf den Kartoffel-und Rübenäckern teilweise durch Regen und Kälte erschwert wurden, war es bei der Weizenernte oft brütend heiß. Vor dem Jahr 1950 wurde der Weizen - ebenso wie Gerste und Roggen - noch mühsam mit Reff und Sichel geerntet. Später schaffte sich Augustonkel eine Mähmaschine an, die von seinen Kühen gezogen wurden, und welche die Arbeit wesentlich erleichterte und beschleunigte. Die gebündelten Weizengarben wurden - oft in waghalsigen Fuhren durch die ausgewaschenen Furchen der Feldwege - zu seinem Haus in der Bachstraße transportiert und dann einzeln in der Scheune auf die Tenne verfrachtet. Im späten Herbst wurde dann eines Tages die mobile Dreschmaschine in die Scheune bugsiert - mit einem oft unwilligen Pferdegespann gar nicht so einfach - und die Ähren wurden in der Maschine von ihrer Frucht befreit. Das Stroh wurde später in der Scheune verstaut; es wurde im Winter zusammen mit dem geernteten Heu und den kleingeschnittenen Rüben an die Tiere verfüttert. Den Weizen holte ein Müller ab. Der Eigenbedarf an Mehl wurde später ins Haus geliefert, der Rest wurde verkauft. Ich denke, es wäre vergeblich, jemandem, der diese Zeit nicht miterlebt hat, auch nur in kleinen Dimensionen klar zu machen, unter welchen Umständen die geschilderten Arbeiten oftmals erledigt werden mussten. Als extrem erlebten wir kalte Regentage bei der Rüben-und Kartoffelernte, bei denen sich die nassen und klammen Finger oft wie abgestorben anfühlten und gewollte Arbeitsabläufe verweigerten oder völlig blockierten. Das krasse Gegenteil waren glühende Sommertage, an denen wir das schnittreife Getreide ernten mussten. Enorm unangenehm - um nicht zu sagen: ekelhaft - empfand ich die Gerstenernte, denn die sich lösenden Grannen hafteten überall auf dem schweißnassen Körper; das Beißen und Stupfen war kaum auszuhalten. Manchmal stahl ich mich davon, fuhr mit meinem "Triepad“ zum „Badhäusle“ und sprang in das kühle Nass, aus dem man wie neugeboren wieder herauskam. Als mein Vater 1970 altersbedingt die Kleinlandwirtschaft aufgab. kam ich nur noch selten in die Bachstraße. August starb mit 73 an den späten Folgen eines Unfalls. |